Das „Preussische Zentral-Polizei-Blatt“ für die Forschung nutzen

von Markus Schröter - 19.09.2020

Im Beitrag „Kein Speiseeis für Schüler – Amtsblätter als Quellen der Familienforschung“ wurde bereits auf den Informationsgehalt von Amtsblättern für unsere Forschungen hingewiesen. Ich möchte in diesem Blog-Beitrag auf das DES-Projekt „Preussische Zentral-Polizei-Blätter“ des Vereins für Computergenealogie aufmerksam machen und Möglichkeiten zur Recherche und Mitarbeit aufzeigen.

Das „Königliche Preussische Central-Polizei-Blatt“ wurde erstmals 1855 vom „Büreau des Königlichen Polizei-Präsidiums zu Berlin“ herausgegeben und erschien bis ca. 1921 wöchentlich. Es beinhaltete neben Suchanzeigen nach Personen, welche an die verfolgende Behörde abzuliefern sind, auch Berichtigungen, Erledigungen und Bekanntmachungen.
Personen wurden hier aus verschiedensten Gründen gesucht, neben Mord, Diebstahl, Betrug und Unterschlagung handelte es sich auch um Personen, die der Militärpflicht nicht nachkamen oder bettelnd durch die Lande zogen. Weitere Gründe waren Prostitution, Ausreißen, Verlassen der Lehrstelle, Zurücklassung der unversorgten Familie, Flucht von Sträflingen, etc. pp.. Neben den Gesuchten finden sich in der Datenbank auch die Namen der Geschädigten (Arbeitgeber, Wirte, Bestohlene).

Im DES-Projekt „Preussische Zentral-Polizei-Blätter“ wurden bereits die online verfügbaren Jahrgänge 1855 bis 1860 mit über 43.000 Datensätzen indexiert.

„Das Königliche Preussische Central-Polizei-Blatt“ sollte räumlich das ganze Preußen abdecken, aber die Suchanzeigen basierten auf Eingaben preußischer Dienststellen, wovon einige eifriger als andere waren.
Aus eigener Erfahrung, ich arbeite seit einigen Jahren immer wieder sporadisch an der Erfassung der Polizei-Blätter mit, habe ich als räumliche Schwerpunkte Brandenburg, Neumark, Oberschlesien, östliches Ruhrgebiet und das Eichsfeld, ausgemacht.

Warum sind diese Polizeiblätter aber für unsere Forschungen interessant?

Ich möchte dies an einem Beispiel verdeutlichen. Der Datenbank des AK Eichsfeld „Familienbuch Eichsfeld“ habe ich den 1821 in Hildebrandshausen geborenen Johann Michael John entnommen, von dem gemäß Datenbank bekannt ist: Beruf Wollenkämmer, 1847 geheiratet, fünf zwischen 1847 und 1853 geborene Kinder.

In der Ausgabe vom 26. Januar 1860 der Preußischen Polizeiblätter wird der Lumpensammler Michael John aus Hildebrandshausen durch das Königl. Preußische Landratsamt Mühlhausen wegen Landstreichens gesucht und die Dienststellen im Königreich gebeten, John nach Ergreifung zurück in seine Heimat zu weisen. Er habe im Juli (1859) seine Familie (wie wir wissen Ehefrau und vier Kinder) verlassen und sei wegen dieser Sache schon mehrfach bestraft worden. Außerdem erfahren wir, dass Michael John 39 Jahre alt ist, blaue Augen, blonde Haare und eine Größe von 5 Fuß und 3 Ellen hat.

Knapp vier Wochen später am 29. Februar 1860 meldet das Preußische Polizeiblatt die Erledigung des „Falls John“ vom 26. Januar 1860. Doch scheinbar war der „Fall Michael John“ doch noch nicht erledigt, denn nach einem Vierteljahr, am 29. Mai 1860, wird er wieder durch das Landratsamt Mühlhausen gesucht. Michael John war wohl im Februar in Neuhaldensleben gefasst worden, doch den befohlenen Heimweg ins 200 km entfernte Obereichsfeld hatte er verlassen.

Wie ging es weiter mit Michael John?

Die Polizeiblätter sind aktuell nur bis Ende 1860 erfasst und geben bislang keine weitere Auskunft. Finden sich Mitstreiter, die bei der recht einfachen Erfassung im DES mitarbeiten, werden wir die Antwort sehr bald in den Preußischen Polizeiblättern nachlesen können. Der Jahrgang 1861 ist gerade zur Erfassung freigschaltet worden.

Es sei aber schon einmal verraten, dass Michael John doch noch den Weg ins heimatliche Eichsfeld gefunden hat, denn 1863 wird eine Tochter geboren. Damit erschließt sich auch, warum sich zwischen den Geschwistern eine zeitliche Lücke von fünf Jahren auftut – der Vater war meistens nicht zu Hause.

Michael John ist in den Polizeiblättern kein Einzelfall. Als jemand, dessen eigene Wurzeln im Obereichsfeld liegen, weiß ich, dass die blanke Not Michael John in die Ferne trieb, sicherlich weniger die fehlende Liebe zur Familie. Das Landratsamt war mit der Suche des Familienvaters darauf bedacht, dass Frau und Kinder nicht der Armenversorgung zu Last fielen.

Wo sonst können wir solche Informationen über das Leben und die Lebensumstände unserer Familien finden? Wo kann aber auch sonst der Ortshistoriker oder Bearbeiter eines OFB den Verbleib einer ortsansässigen Familie klären?

Mit Hilfe des DES wurden und werden weitere Polizeianzeiger erfasst. Für unser Forschungsgebiet stehen auf der Website des Vereins für Computergenealogie beispielsweise die Polizeilichen Nachrichten (Eberhardt), der Anzeiger für die politische Polizei DeutschlandsDer Wächter, oder der Allgemeine Polizei-Anzeiger frei für Recherche und Mitarbeit zur Verfügung.

Markus Schröter

Mitglied: AMF 1506

AMF-Vorstand, Beisitzer digitale Projekte

markusschroeter(at)arcor.de