Digitalisierte Stammbücher der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

von Peter Teuthorn - 17.03.2021

Es gibt Quellen, die von Familienforschern leicht übersehen werden, weil sie nicht unmittelbar zu den genealogischen Grunddaten von Geburt, Heirat und Tod führen. Zu diesen gehören die Studentischen Stammbücher, die „Alba Amicorum“. Sie haben in vielfacher Hinsicht einen besonderen Reiz. Denn wir bekommen Einblick in Bekanntschaften, Freundschaften, gelesene und verinnerlichte Literatur, (Universitäts-)Lehrer, Studenten und Kommilitonen. Wir erhalten eine Vorstellung vom sozialen Umfeld unserer Probanden und ein Bild des Zeitkolorits. Die ULB Sachsen-Anhalt gewährt einen schönen Einblick in die dort digitalisierte Sammlung.

Auch wer nicht das Glück hat, für einen seiner Ahnen fündig zu werden, findet hier interessante Lektüre, ebenso übrigens, wer gute Beispiele zu Leseübungen von Kurrentschrift sucht. Unbekannte Zeitgenossen zitieren aus ihren Lesefrüchten, andere bringen Eigenes zu Papier. Ich greife zwei Beispiele heraus.

Mit 53 Einzelblättern ist das Stammbuch des Theologiestudenten, Daniel Hieronymus von Braun, besonders umfangreich erhalten.

Unter dem Datum, Halle d. 4. xbris 1736 (4. Dezember), füllt Gotthilf August Franke, Sohn des berühmten August Herrmann Franke, mit einem wohl eigenen theologischen Gedanken eine ganze Seite. Daraus:

“Wie ein Baum, der giebt seine Früchte iedermann, ohne Ansehen der Person, und er hat keinen Nutz davon, sondern giebts so gut es ihm Gott gegeben hat; hätte ers beßer, so gäbe ers beßer ohne allen Nutz; Also hat sich Christus uns selbst zu eigen gegeben, Gott selbst giebt sich uns zu eigen ..…”

Am 15. Juli 1833 zitiert in einem anderen Stammbuch eine Henriette Wilke aus Braunschweig den zeitgenössischen Dramatiker Christian Dietrich Grabbe und folgt damit der Gewohnheit, Texte und Sprüche , die dem Schreibenden gefallen, für den Eintrag zu verwenden. Auch das lässt Rückschlüsse zu.

"Die Liebe ist auf Irdisches gegründet
Gemeines ist’s wofür sie flammt;
Nur Freundschaft, die die Geister bindet,
Ist ewig, wie der Geist aus dem sie stammt!
"

An der Uni Gießen hat Silke Cecilie Moning im Rahmen einer Magisterarbeit eine Datenbank der dortigen Stammbücher aufgebaut und eine schöne Arbeit zum Verständnis der Stammbücher vorgelegt.

Weiteres zu dieser Quellengattung unter

Peter Teuthorn

Mitglied: AMF 2010 / SHFam 1291 / CompGen 3116 / 

p(at)teu-net.de

Mehr über ihn und seine Forschung unter http://wiki-de.genealogy.net/Benutzer:Teuthorn